Mikroskopie einer Arabidopsis Wurzelspitze. Legende: Grüner marker in dem Zytoplasma spezifischer Wurzelspitzenzellen (quiescent center und columella), Zellenwand in Magenta.  ©Bradamante/Mittelsten Scheid/GMI.

SEIN EINFLUSS

Gregor Mendel, der „Vater der Genetik“, wird häufig in einem Atemzug mit Charles Darwin oder Louis Pasteur, den Größten der Wissenschaft, genannt. Doch wie profitieren wir heute im Alltag von Mendels Entdeckungen?

MENDEL IM ALLTAG: DER BLICK AUF DIE INNEREN WERTE

„Ganz am Anfang hat man einfach mal Pflanzen, die besser aussahen als andere, benutzt für das Folgejahr“, sagt Carl-Stephan Schäfer vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter. Erst durch Mendel und die Anwendung der von ihm entdeckten Vererbungsregeln wurden die „inneren Werte“ berücksichtigt, um gewünschte Zuchtergebnisse zu erzielen.

Ortrun Mittelsten Scheid des Gregor Mendel Instituts

„Durch Mendel ist es nun möglich, in der Züchtung statt der sichtbaren und messbaren Eigenschaften molekulare Marker zu benutzen“, erklärt Ortrun Mittelsten Scheid, Senior Group Leader am Wiener Gregor Mendel Institut: „Das spart Zeit, Arbeit und Kosten, da man die Organismen gar nicht erst lange wachsen lassen muss, bevor man sie für weitere Generationen aussucht.“

RAPSÖL: Speiseöl statt Lampenöl

Ein typisches Beispiel und Nutzen für die gezielte Züchtung, bei der Mendels Regeln angewendet wurden, ist der Raps. Rapsöl war ursprünglich ein bitteres Lampenöl. Erst in den 1970er-Jahren ist es gelungen, für Speiseöl geeignete Rapssorten zu züchten. Dazu waren über Jahre hinweg mehrere Schritte erforderlich, bis die Raps-Pflanzen sowohl milden Geschmack als auch gute Erträge lieferten.

Die Nachkommen unterschiedlicher, aber reinerbiger Eltern haben alle die gleichen Eigenschaften. Das beschrieb Mendel in der ersten Regel seines Hauptwerks „Versuche über Pflanzenhybride“. Genau das macht man sich auch heute zunutze, in dem man solche Hybride, erzeugt durch die Kreuzung definierter Elternsorten, als Nutzpflanzen oder -tiere verwendet. Zusätzlich zu ihrer zuverlässigen Gleichförmigkeit sind diese Nachkommen nämlich oft ertragreicher, resistenter und qualitativ besser. Dies wird in der Genetik als Heterosis-Effekt bezeichnet.

Beispiele dafür sind der Mais bei Pflanzen oder Hühner bei den Tieren.

HUMANGENETISCHE BERATUNG

Mendels Erkenntnisse werden aber nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der Humanmedizin angewendet. Die cystische Fibrose ist eine erbliche Stoffwechselkrankheit: In vielen Organen wird zähflüssiger Schleim gebildet. Die Erkrankung verursacht schon im frühen Kindesalter Symptome und verläuft fortschreitend. Ihre Ursache ist ein Gendefekt.

Dies gilt auch für die Phenylketonurie, einen angeborenen Enzymmangel, der unbehandelt zu geistigen Entwicklungsstörungen führen kann. „Beide Erbkrankheiten sind durch Defekte in einem einzigen Gen bedingt. Sie haben dadurch gut vorhersehbare Vererbungswahrscheinlichkeiten, die eine humangenetische Beratung erleichtern“, sagt Mittelsten Scheid.

Im 20. Jahrhundert ist die Genetik zur zentralen Disziplin der Lebenswissenschaften aufgestiegen. Möglich gemacht hat es ein ehemaliger Aushilfslehrer, Priester und Forscher mit seinen Experimenten im Klostergarten: Gregor Mendel.

Dieter Schweizer, Gründungsdirektor des Gregor Mendel Instituts | ©GMI