Wien, 1840 © Wien Museum

WIENER EINFLÜSSE

Eigentlich wollte Gregor Mendel 1850 von seinem Heimatort Brünn nach Wien kommen, um die Lehramtsprüfung für Physik und Naturgeschichte zu absolvieren. Mendel fiel bei der Prüfung durch – ein Glücksfall für die Wissenschaft, wie sich erst sehr viel später herausstellen sollte.

Sein Brünner Abt ermöglichte es Mendel nach seinem Scheitern, 1851 bis 1853 an der Universität Wien zu studieren. Mendel besuchte daraufhin Vorlesungen wie „Demonstrative Experimentalphysik“ bei Christian Doppler, dem Entdecker des Doppler-Effekts, und „Anatomie und Physiologie der Pflanzen“ bei Franz Unger.

Das Verzeichnis von Mendels Kurse aus dem dritten Semester in Wien:
Diese führenden Wissenschaftler ihrer Zeit beeinflussten wesentlich Mendels Art, mit statistisch untermauerten Experimenten zu forschen.

CHRISTIAN DOPPLER

Christian Doppler, Ursprung unbekannt

1850 war der Physiker und Mathematiker Doppler gerade Direktor des neuen Instituts für Physik geworden. Bei ihm studierte Mendel Demonstrative Experimentalphysik. Es war eine sehr praxisbezogene und völlig neuartige Lehrveranstaltung, denn Doppler bezog die Studierenden mit ein: Er führte ihnen Experimente vor und bewegte sie dazu, eigene Experimente durchzuführen. Dieser Zugang zur Forschung dürfte Mendel entscheidend geprägt haben.

Vor seiner akademischen Karriere in Wien wollte Doppler schon in die USA auswandern, da er im Kaisertum Österreich keine adäquate Beschäftigung fand. Doch eine Stelle als Lehrer in Prag konnte er damals finden – eine weitere Parallele zu Mendel, der Aushilfslehrer war. Nachdem Doppler an anderen Universitäten des Kaisertums gelehrt hatte, kam er aufgrund der Revolution 1848 nach Wien.

Berühmt wurde er durch seine Arbeit über den Doppler-Effekt: Dieser Meilenstein in der Wissenschaft beschreibt, dass zwischen der von einem Beobachter wahrgenommenen Tonfrequenz und der Bewegung einer Schallquelle ein Zusammenhang besteht. Wir alle kennen diesen Effekt aus dem Alltag, wenn ein Auto, insbesondere ein Rettungswagen mit Folgetonhorn, rasch an uns vorbeifährt. Neben dem akustischen gibt es auch einen optischen Doppler-Effekt.

Der Doppler-Effekt wird vielfältig angewendet: Unter anderem wird beim GPS in Handys und Autos anhand des Doppler-Effekts die Position über Satelliten bestimmt.

ANDREAS RITTER VON ETTINGSHAUSEN

Andreas Ritter von Ettingshausen, Ursprung unbekannt

Christian Doppler starb 1853. Sein Nachfolger als Direktor des Instituts wurde Andreas Ritter von Ettingshausen.

Bei ihm besuchte Mendel den Kurs über höhere Mathematik. Auch das war wahrscheinlich ein wesentlicher Einfluss auf Mendels spätere Forschung: Mendel wendete – für seine Zeit in der Botanik noch unüblich – umfangreiche statistische Analysen an.

FRANZ UNGER

Franz Unger, Lithographie von Josef Kriehuber

Bei Franz Unger lernte Mendel die Anatomie und Physiologie der Pflanzen und den Gebrauch eines Mikroskops. Unger hatte Jus und Medizin studiert, er war Gerichtsmediziner – und wurde Botaniker. 1850 wurde er als Professor für Pflanzenphysiologie nach Wien geholt.

Ungers Forschungsgebiet war breit: So interessierte er sich für Zellbiologie, Pflanzenanatomie und -physiologie sowie Paläontologie. Schon vor Darwin beschäftigte er sich mit der Evolution und vermutete, dass alle Pflanzen auf eine „Urpflanze“ zurückgehen.

Unger war überzeugt, dass Zellen die wesentliche Einheit allen Lebens darstellen. Bei seinem Studium von Pflanzen interessierte er sich unter anderem sehr für Größenverhältnisse und erhob in großem Umfang Daten.*

Er dürfte damit Mendels Interesse für Zahlenverhältnisse entscheidend geprägt haben.

*) Vgl. Ariane Dröscher: Zellen, Evolution, Mathematik: Franz Ungers Einfluss auf Gregor Mendel. In: Gottfried Brem (Hrsg.): 150 Jahre Mendelsche Regeln (Nova Acta Leopoldina, 413), 2017, pp. 37–49.

RUDOLF KNER

Rudolf Kner, Lithographie von Josef Kriehuber, 1852

Auch Rudolf Kner wollen wir hier als Einfluss erwähnen: Schließlich war Kner derjenige, der Mendel bei der Lehramtsprüfung mit sehr harten Bemerkungen durchfallen ließ. Doch auch dadurch ließ Mendel sich nicht entmutigen. Er studierte ausgerechnet bei Kner Zoologie – vielleicht ein weiterer Beweis für Mendels Hartnäckigkeit. Zur Erinnerung: Mendel sollte später in Brünn acht Jahre lang an 28.000 Erbsenpflanzen forschen.

Dieser Artikel basiert auf dem Vortrag „Mendel, Unger and Doppler: Viennese Influences on Mendel’s Work“ von Dr. Barbara Fischer, Universität Wien, Department für Evolutionsbiologie, anlässlich der Mendel Days 2021. Ihre Arbeit zu Mendel ist über ein EU-Interred-Projekt finanziert.

Das Video des Vortrags gibt es hier.